Xans Forschungsreise mit dem MAXQDA Wort Explorer
Seien wir mal ehrlich: Qualitative Forschung kann ganz schön brutal sein. Ich habe gerade letzten Monat meine Masterarbeit abgegeben, und ganz ehrlich? Ich hab mich immer noch nicht ganz von dieser intensiven Tätigkeit erholt. Da hilft es, sich auf die positiven Erfahrungen zu besinnen. Eine davon war die Arbeit mit MAXQDA, besonders mit der Funktion Wort Explorer, der mir dabei geholfen hat, Struktur, Klarheit und analytischen Schwung zu finden, während ich drohte, tief in einem Chaos aus emotional aufgeladenen qualitativen Daten zu versinken.
Stop! Was bitte ist der Wort Explorer?
Um wirklich zu verstehen, wie mir diese Funktion dabei geholfen hat, meine Analyse zu knacken, sollte ich kurz erklären, was der Wort-Explorer eigentlich macht.
Der Wort Explorer ist ein MAXQDA Tool, mit dem man in seinem gesamten MAXQDA Projekt nach beliebigen Wörtern oder Phrasen suchen kann, zum Beispiel in Interviewtranskripten, Memos, Paraphrasen, Codierungskommentaren und Zusammenfassungen. Dabei ist das Toll viel mehr als nur eine Suchleiste: der Wort Explorer visualisiert die Häufigkeit, Verteilung und mehrfache Auftreten von Begriffen in einem Datensatz.
So konnte ich immer wiederkehrende Ausdrücke erkennen und verstehen, wo und wie sie wichtig wurden.
Der Screenshot oben zeigt das Beispielprojekt „Work-Life Balance“ von MAXQDA und wie eine Suche nach dem Begriff „work“ im Wort Explorer aussieht. Selbst in einem Demo-Datensatz findet das Tool überraschend nützliche Muster: Das Wort kommt in jedem Dokument vor, hat starke Verbindungen zu Codes wie „positive“ und „working hours“ und taucht oft in Ausdrücken wie ‚Arbeitszeit‘ und „typischer Arbeitstag“ auf. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie viele kontextbezogene Erkenntnisse der Wort Explorer liefert.
Im Grunde genommen hat das Tool das getan, was mein spiralförmiges Codesystem nicht konnte: Es hat mir gezeigt, was wirklich wichtig war, und nicht nur, was am lautesten schrie. Wer den Wort Explorer noch nicht verwendet oder bisher nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen hat, sollte unbedingt noch einen zweiten oder dritten Blick riskieren, Glauben Sie mir, es wird sich lohnen.
Testen Sie das Wort Explorer Tool unbedingt bei der nächsten Analyse. Eine detaillierte Übersicht über diese Funktion finden sich auch im MAXQDA Manual.
Überwältigt von emotionsgeladenen Daten
In meiner Masterarbeit habe ich mich mit Aktivisten beschäftigt, die in Deutschland riskante und emotionale politische Arbeit machen. Diese Leute sind oft am Rand der öffentlichen Debatte unterwegs, super sichtbar, wenn ihre Präsenz einen symbolischen Zweck erfüllt, aber schnell an den Rand gedrängt oder diszipliniert, wenn ihre Meinung unbequem wird.
Wegen der Sensibilität des Themas und der realen Risiken, denen die Beteiligten ausgesetzt sind, werde ich in diesem Beitrag bewusst vage bleiben, was bestimmte Aspekte meines Projekts angeht. Diese Unklarheit ist kein Versäumnis, sondern Teil meiner Bemühungen, sowohl ihre Sicherheit als auch die ethischen Grundsätze der Forschungsvertraulichkeit zu wahren.
Insgesamt habe ich 13 ausführliche, halbstrukturierte Interviews geführt. Das Ergebnis war eine Datenmenge, die nicht nur intellektuell komplex, sondern auch emotional überwältigend war.
Die Transkripte waren durchzogen von Momenten des Schmerzes, der Enttäuschung, des Widerstands und gelegentlich auch von schwarzem Humor. Viele Erzählungen widersprachen vorherrschenden Vorstellungen von Legitimität, Identität und Zugehörigkeit. Was ich zunächst als „herausfordernd, aber machbar“ eingeschätzt hatte, entpuppte sich schnell als ein wirres Archiv voller Widersprüche und emotionaler Belastungen.
Oft starrte ich auf meinen Bildschirm und versuchte, die wiederkehrenden Diskrepanzen zu verstehen, die die Teilnehmenden zum Ausdruck brachten: das Gefühl, in gegensätzliche Richtungen gezogen zu werden, Systeme zu durchschauen, aber dennoch an sie gebunden zu sein. Wie konnte ich diesen Berichten gerecht werden, ohne sie in Kategorien zu pressen oder ihnen ihre Schärfe zu nehmen?
Wenn sich alles gleich wichtig anfühlt
Meine größte Herausforderung bei der Arbeit an meiner Forschung – und wahrscheinlich auch im Leben allgemein – war, dass ich das Gefühl hatte, ALLES einbeziehen zu müssen. Ich meine, wie könnte ich meine Teilnehmer und ihre Erzählungen „würdigen“, wenn ich nicht ALLES einbeziehe?
Ja, ich wusste natürlich, dass ich durch das Einbeziehen von allem nur an Tiefe zugunsten von Breite einbüßen würde, was zu einem weitläufigen, unkonzentrierten Ergebnisabschnitt führen würde.
Aber Logik spielte keine Rolle, denn wie hätte ich nicht jede einzelne Äußerung jedes einzelnen Teilnehmers auf Satzebene analysieren können?
Spoiler: Ich habe es versucht. Es hat nicht funktioniert.
Zu viele Codes, zu wenig Klarheit
Ich war zwar nicht neu in der Forschung, aber das war mein erstes richtiges qualitatives Projekt seit Jahren. Innerhalb einer Woche nach Beginn der Analyse war mein Codesystem wie ein zu prall gefüllter Wasserballon explodiert.
Jeder Absatz in meinen Transkripten schien drei verschiedene Konzepte, fünf emotionale Untertöne und mindestens eine Zeile zu enthalten, die eine eigene theoretische Abhandlung verdient hätte. Ich habe alles codiert. Und das hat alles nur noch schlimmer gemacht.
Sogar die analytischen Gruppierungen, von denen ich dachte, dass sie funktionieren würden (wie die Unterscheidung zwischen Aktivisten an vorderster Front und Mitwirkenden hinter den Kulissen), hielten nicht stand. Die Rollen der Menschen verschwammen. Ebenso die Themen. Ich scrollte durch mein Codesystem und dachte: „Ist das noch eine Analyse oder habe ich versehentlich angefangen, einen Roman mit Fußnoten zu schreiben?“
Wenn ein Scherz zur Methode wird
So kam der Wort Explorer ins Spiel: Ich habe mich bei einem Freund ausgeweint. Ich erinnere mich, dass ich so etwas sagte wie: „Alle sagen ständig ‚das ist crazy oder ‚was für eine Sch***e.‘ Irgendwie ist das lustig.“
Der Freund – und dafür danke ich ihm – sagte: „Ist das nicht irgendwie … nützlich?“
Lieber Leser, das war es!
Ich hatte den Wort Explorer schon einmal geöffnet, aber ihn nie wirklich verstanden. An diesem Tag tippte ich einfach mal „verrückt“ und „was für eine Sch***e“ ein, nur um zu sehen, was passiert. Was passierte? Ein Durchbruch.
Um zu zeigen, was ich meine, hier ein Beispiel dessen, was der Wort Explorer anzeigte, als ich nach dem Begriff „crazy“ in meinem Projekt suchte:

Selbst ohne die Transkripte zu lesen, springen die Muster ins Auge. Der Begriff „crazy“ tauchte 47-mal in 8 der 13 Interviews auf. Schon das allein ermöglichte es mir, emotional aufgeladene Stellen schnell zu identifizieren. Aber mehr noch: Es half mir, bessere Fragen zu stellen. Warum kam der Begriff in manchen Interviews häufiger vor als in anderen? Lag es am Fehlen des Begriffs in den restlichen Interviews oder am Fehlen des dahinterliegenden Gefühls?
Das brachte mich dazu, nach synonymen Ausdrücken zu suchen, die ich zuvor übersehen hatte – Formulierungen wie „das ist irre,“ „man will schreien“ oder auch sarkastische Nebenbemerkungen. Ich begann, affektive Vokabeln gezielter zu erfassen und konnte endlich prüfen, ob Themen wie Ungläubigkeit oder Absurdität bloße Ausnahmen oder Teil eines umfassenderen affektiven Musters waren.
Vom Chaos zu den Kategorien
Als ich die Arbeit geschrieben habe, hatte MAXQDA noch keine erweiterte Suche nach Synonymen (heute übrigens schon, siehe hier), also habe ich meine eigene entwickelt. Ich habe Listen erstellt: Ausdrücke der Empörung, Sätze, die Unglauben zeigen, sarkastische Einzeiler. Und dann habe ich sie durch den Wort Explorer laufen lassen.
Je weiter ich kam, desto klarer wurde mir, dass sich ähnliche emotionale Ausdrücke gruppierten. Sie tauchten in Interviews auf, die ich ganz anders codiert hatte. Das war kein Rauschen, sondern ein Signal.
Was ich fand, bestätigte nicht nur meine Vermutung. Es gab meiner These Rückhalt, wenn auch nicht auf Anhieb. Es war ein langsamer, iterativer Prozess, bei dem ich verschiedene Wörter und Ausdrücke eingab, ihren Kontext überprüfte und nach und nach Muster erkannte.
Die Teilnehmenden haben nicht einfach nur Dampf abgelassen. Einige haben ihre eigene geistige Gesundheit in Frage gestellt. Andere haben die Sprache der Absurdität, die sie beobachtet und erlebt haben, auf überraschend bewusste Weise verwendet und sie umgedreht, um die Inkohärenz der Systeme hervorzuheben, die sie einzuschränken versuchen.
Diese Erkenntnis löste einen weiteren Analysezyklus aus, in dem sich In-vivo-Codes wie „das ist verrückt“ zu konzeptionellen Kategorien wie „diskursive Absurdität“ und „subversive Absurdität“ entwickelten.
Das Tolle am Wort Explorer ist, dass man, sobald man auf die Anzahl der Treffer für einen Suchbegriff klickt, eine interaktive Liste von Segmenten erhält. Man kann sie schnell im Ergebnisfenster überprüfen oder auf einen Eintrag klicken, um direkt zum Kontext im Dokument zu springen, was entscheidend ist, wenn man herausfinden will, ob ein Wort in ähnlicher Weise verwendet wird.
Die meisten der emotional aufgeladenen Beispiele, mit denen ich gearbeitet habe, kann ich aus Gründen der Vertraulichkeit und politischen Sensibilität hier nicht teilen.
Um diesen Prozess zu veranschaulichen, habe ich jedoch ein neutraleres Beispiel beigefügt, das ich ohne Bedenken veröffentlichen kann.
Der Begriff „insane“ (verrückt) war Teil meiner Synonymliste für Ausdrücke der Ungläubigkeit. Lesende werden feststellen, dass ich einen der Treffer mit einem Stopp-Symbol markiert habe, da diese Erwähnung in einer nachfolgenden klärenden Frage enthalten war und nicht von dem Teilnehmer stammt. Durch diese Markierung kann ich ihn bei der automatischen Codierung aller Suchtreffer ausschließen.

Um diesen Prozess zu veranschaulichen, habe ich jedoch ein neutraleres Beispiel beigefügt, das ich ohne Bedenken veröffentlichen kann.
Der Begriff „insane“ (verrückt) war Teil meiner Synonymliste für Ausdrücke der Ungläubigkeit. Lesende werden feststellen, dass ich einen der Treffer mit einem Stopp-Symbol markiert habe, da diese Erwähnung in einer nachfolgenden klärenden Frage enthalten war und nicht von dem Teilnehmer stammt. Durch diese Markierung kann ich ihn bei der automatischen Codierung aller Suchtreffer ausschließen.
Was sich geändert hat: Von Fragmenten zum Fokus
Hier ist, was sich in meinem Prozess geändert hat und warum Wort Explorer am Ende mehr als nur eine coole Funktion geworden ist.
- Versteckte Muster, gemeinsame Untertöne
Wort Explorer hat mir geholfen zu erkennen, dass das, was wie zufällige Ausdrücke aussah, alles andere als zufällig war. Zuerst dachte ich, es handele sich um einmalige emotionale Ausbrüche. Aber je mehr ich suchte, desto mehr sah ich, dass sie sich in jedem Interview wiederholten. Das waren keine isolierten Gefühle, sondern gemeinsame emotionale Strömungen. Das hat meine Herangehensweise an die Daten verändert. Es ging nicht mehr nur darum, Themen zu identifizieren, sondern emotionale Logiken nachzuvollziehen. Ungläubigkeit, Ironie und Entfremdung waren ein Mittel der politischen Erfahrung. Und die Teilnehmer? Die hatten die Analyse bereits gemacht. Ich habe endlich richtig zugehört. - Absurdität als Anker
Ein emotionales Thema tauchte immer wieder auf: Absurdität. Nicht immer direkt benannt, aber immer da, in Sarkasmus, in Nebenbemerkungen, in den Momenten, in denen die Leute über die Inkohärenz des Ganzen lachten. Mit dem Wort Explorer konnte ich diesen subtilen Faden verfolgen, und das hat alles verändert. Absurdität war nicht nur eine Stimmung, sondern eine strukturelle Reaktion auf Widersprüche, Unterdrückung und politische Manipulation. Sie wurde zum Kernkonzept, das alles andere zusammenhielt. Plötzlich hatte meine These eine Erzählung. - Widerspruch als Klarheit
Dieses Tool gab Dingen Gestalt, die ich noch nicht klar gesehen hatte. Ich hatte Themen wie Unterdrückung, Identitätskontrolle und Legitimität kodiert. Sie waren alle da. Aber Wort Explorer beleuchtete den affektiven Faden, der in meiner ursprünglichen Kategorisierung nicht offensichtlich war: Absurdität. Das waren nicht nur parallele Themen, die im Chaos schwebten – sie waren durch eine gemeinsame affektive Logik verbunden. Absurdität war kein Umweg von den Daten, sondern der Klebstoff, der die Widersprüche sinnvoll machte. Sie gab den Ergebnissen narrative Kohärenz statt nur analytischer Fragmentierung. - Von allem zu dem, was zählt Einer der schwierigsten Aspekte qualitativer Arbeit ist das Bauchgefühl, dass alles wichtig ist. Wie könnte ich aus ethischen Gründen irgendetwas überspringen? Ich hatte Hunderte von Seiten mit Transkripten und das tiefe Bedürfnis, jeden Satz zu würdigen. Aber Wort Explorer machte es einfacher, einen Schritt zurückzutreten. Es zeigte mir, was am häufigsten vorkam, was die größte emotionale Wirkung hatte und was in verschiedenen Kontexten immer wieder auftauchte. Es gab mir die Erlaubnis, mich zu fokussieren. Und dieser Wechsel vom Codieren aller Daten zum Verfolgen von Mustern war es schließlich, der das Schreiben möglich machte.
Schlussgedanken: Klarheit im Chaos
Rückblickend hat mich der MAXQDA Wort Explorer nicht nur bei der Analyse meiner Daten unterstützt, sondern mir auch dabei geholfen, diese zu überstehen. Es hat mich aus dem endlosen Scrollen durch Codes herausgeholt und an einen Ort gebracht, an dem ich endlich die Form meiner Ergebnisse erkennen konnte. Es hat mir Halt gegeben in einem Projekt, das sich oft wie emotionaler Treibsand anfühlte.
Für alle, die sich durch schwierige, emotional chaotische Recherchen kämpfen: Unterschätzt nicht, was ein gut eingesetztes Tool leisten kann.
Der Wort Explorer hat die Daten nicht vereinfacht und die emotionale Belastung nicht verringert, aber er hat mir eine Möglichkeit gegeben, mit beidem umzugehen. Und in einem Projekt wie meinem hat das den entscheidenden Unterschied gemacht.
Wer also vor einer Wand aus chaotischen Transkripten sitzt und auf ein Signal inmitten des Lärms hofft, sollte einfach mal irgendetwas in den Wort Explorer eingeben. Auch wenn da möglicherweise nicht sofort Antworten zu finden sind, vielleicht findet sich ein Weg hinein.
Über den Autoren

Xan (er/ihm) hat gerade seinen Master in Soziologie gemacht. Jetzt arbeitet er bei VERBI Software, wo er AI-Prototypen testet, über MAXQDA schreibt und ab und zu Erinnerungen an seine Abschlussarbeit übersteht, indem er sie in Blogbeiträge verwandelt.